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Show Case: Stadtmarketing-Kampagne für Enschede

17. April 2013

Für die Stadt Enschede haben wir eine Kampagne für den deutschen Markt entwickelt, die leider nie umgesetzt wurde. Trotzdem, oder gerade deswegen, stellen wir unser Konzept hier kurz vor. Update // 16. Oktober 2015: Dies ist die Präsentation aus dem Jahr 2012. Erfreulicherweise haben wir Enschede in diesem Jahr als Kunden hinzugewonnen und realisieren gerade die Kampagne 2015/16. Darüber dürfen wir aber noch nicht wirklich reden.

Prolog:

Die Stadt Enschede (ca. 160t Einwohner) hat einen relativ großen Bekanntheitsgrad in den Niederlanden. Dort ist sie vor allem für zwei Dinge bekannt: für den Fußballclub »FC Twente« und für die »Reisopera«. In Sachen Kultur und Unterhaltung ist die Stadt also durchaus kein unbeschriebenes Blatt – zumindest national. Die Deutschen kennen Enschede eher als Ziel für Shopping-Ausflüge. Besonders aus dem Münsterland ist Enschede Anlaufstation. Hier sollte die Kampagne ansetzen. Das Marketing wollte die Stadt in der Wahrnehmung der Deutschen in Richtung Kultur-Tourismus verschieben. Dafür haben wir ein paar Ideen entwickelt.

Wir starten mit einer kleinen Analyse …

… der Nachbarschaftsbeziehungen. Was sind die Sympathiefaktoren, die eine holländische Stadt aus deutscher Sicht haben kann?

  1. Nähe
  2. Urlaubsflair
  3. der »holländische Charakter«

Auf den ersten Blick mag das naheliegend sein, trotzdem ist es wichtig nicht zu vergessen, dass eine Kampagne für den deutschen Markt ander Erfolgsfaktoren hat als eine national-niederländische.

Das deutsche Logo

Im Inland verwendet Enschede das »Stad van nu«-Logo mit einigem Erfolg, und eine Anforderung war es, das Logo für den deutschen Markt anzupassen. Mit den oben genannten Vorüberlegungen im Kopf, hielten wir zwei mögliche Varianten für sinnvoll: »Holland im Nu« und »Holland um die Ecke«.

 

Holland im Nu

Als erstes fällt Eingeweihen die Nähe zum »originalen« Logo auf. Das ist gut für die Kommunikation des deutschen Logos nach innen, also innerhalb des Stadtmarketings und der -verwaltung und gegenüber den Bürgern. Das ist auch gut für die Wiedererkennbarkeit des Logos für die deutschen Touristen. Die »Stad von nu« bedeutet »Stadt von Heute« und impliziert vor allem Moderne. Unser »nu« verweist primär auf die Nähe und damit auf das Hauptargument für einen Besuch in der Nachbarstadt. Gleichzeitig heben wir den zweiten Grund für eine Ausflug nach Enschede hervor: Holland. Eine Reise ins Ausland ist natürlich immer spannender als im eigenen Land zu bleiben.

Die Formulierung »im Nu« darf ruhig ein bisschen umgangssprachlich sein und dem Gefühl von Lässigkeit entsprechen, dass man gerne mit dem holländischen Charakter verbindet. Ein bisschen fehlt es ihm aber an Modernität. Zwar ist die Formulierung noch gebräuchlich, aber nicht unbedingt sehr zeitgemäß. Auch daher haben wir einen zweiten Ansatz entwickelt, der vielleicht weniger gut beim Marketing ankommen sollte, aber vermutlich eher als Imageträger funktioniert.

Holland um die Ecke

Die zweite Variante des Logos folgt im Prinzip den Überlegungen der Variante »Holland im Nu«. Auch hier geht es primär um Nähe und Exotik – innerhalb der Möglichkeiten eines so beliebten Ausflugszieles wie Holland. In Verbindung mit der Bildmarke schaffen wir hier allerdings eine zusätzliche visuell-kognitive Verknüpfung mit dem Text, die Wort und Bild zu einer semantischen Einheit macht. Das erhöht die Wiedererkennbarkeit und Memorierbarkeit des Zeichens.

»Um die Ecke« hat den schnoddrigen Ton, den man mit dem entspannten Holländer assoziiert, ist dabei aber zeitgemäßer als »im Nu«. Nur zur Erinnerung: Wir sprechen hier natürlich von Klischees; weder das Selbstbild der Niederländer, noch die Meinung der Deutschen ist so flach, aber trotzdem macht es immer Spaß mit bestehenden Vorurteilen zu arbeiten und offene Türen einzurennen ohne gegen das bestehende Image zu arbeiten.

Nur keine Angst vor Tulpen

Wir haben also die Klischees, die wir bedienen müssen, um die Erwartungen an ein holländisches Ausflugsziel zu bedienen. Der Kurzurlaub in die Nachbarschaft ist sicher das Hauptargument für alle Enschede Touristen. Gegen diese Prädeterminierung zu arbeiten würde die Kampagne vor unnötig hohe Hürden stellen. Trotzdem brauchen wir aber einen Weg um auf die eher ungewöhnlichen Vorzüge von Enschede als Ausflugsziel hinzuweisen, vor allem auf das kulturelle Angebot. Daher erweitern wir das Logo um Variationen:

  • Enschede – Musik um die Ecke
  • Enschede – Kultur um die Ecke
  • Enschede – Volksfest um die Ecke

und so weiter. Wir schleusen die neuen Markenwerte also über diesen Schleichweg ein, der die Erwartungen mit dem Unerwarteten kombiniert.

Die Erfolgsfaktoren

Unsere Vorüberlegungen haben wir also in drei Erfolgsfaktoren aufgeschlüsselt:

  • Wiedererkennbarkeit
  • Sympathie
  • Reibung

Zum Teil ist das Feld hier schon sehr gut bestellt: in Sachen Wiedererkennbarkeit können wir uns auf ein solides und stilsicheres Corporate-Design verlassen. Das gleiche gilt für Holland als Reiseziel. Auch hier können wir von einer generell sehr hohen Akzeptanz ausgehen, und von einem hohen Bekanntheitsgrad. Was die Reibung angeht – also die Stolpersteine, die kleinen Ungereimtheiten, die eine Kampagne in Erinnerung bringen – besteht hier noch Potential. Mit einem sehr geringen Budget kann man sich nicht ausschließlich auf die reine Präsenz von Werbemitteln verlassen, sondern muss ein bisschen mehr Risiko eingehen. Es gilt einprägsam zu sein.

Der Stolper-Claim

Da es ruhig ein bisschen wehtun darf, erfinden wir einen Claim, der mit den Sprachunterschieden und Sprachverwandtschaften zwischen Deutsch und Holländisch jongliert: »Enschede dich … «. »Enschede dich, wo du feierst«, »Enschede dich, wo du Musik hörst«, » … wo du in die Oper gehst« und so weiter. Wir erzeugen hier eine Reibungsfläche direkt am Produkt(-Namen). Das ist so nur mit diesem Produkt – nämlich Enschede – möglich, und daher nicht austauschbar. Außerdem nimmt sich der Absender nicht so ernst, er besteht nicht auf der richtigen Aussprache – richtig wäre ja »Ens-Rachenlaut, wie in ‚Ach‘–ede« – sondern greift die deutsche Aussprache auf. Auch eine Form des interkulturellen Entgegenkommens.

Die »Kulturstadt«-Kampagne

Kommen wir also zur tatsächlichen Kampagne, um Enschede als Ausflugsziel jenseits des Shopping-Tourismus zu platzieren. Die Stadt als Kulturstandort wahrzunehmen, stellen sich dem deutschen Besucher ein paar Hürden in den Weg, die es gilt abzubauen:

  1. »Was ist denn mit der Sprachbarriere?«
  2. »Musik gibt es auch in meiner Stadt.«
  3. »Seit wann können die Holländer denn Oper?«

Dagegen setzen wir zwei Mechanismen:

  1. Gastfreundschaft
  2. Neugier

Enschede zeigt sich offensiv um den deutschen Besucher bemüht – das sollte reichen, um die Angst vor einer Sprachbarriere abzubauen. Gleichzeitig ermutigen wir dazu das Schneckenhaus zu verlassen, und sich auf das neue Angebot einzulassen.

Hier zielt der Claim auch genau auf die Lust nach Neuem ab: »Enschede dich, was du entdeckst!«.

Das Problem mit Bildern

Gerade bei aufwändigen Inszenierungen von Oper oder Theater hat man oft das Problem, dass spektakuläres Bildmaterial erst nach der Premiere zur Verfügung steht, dass Probenfotos nicht das Gefühl der wirklichen Aufführung vermitteln können. Aus dieser Not machen wir eine Tugend und kombinieren unseren Mechanismus von Neugier. »Schon verpasst« ist das Motto der alternativen Anzeigenkampagne. »Bei uns in Enschede gibt es viel zu entdecken … Schnell, Siegfried hast du schon verpasst.« So nutzen wir spektakuläre Bilder von tatsächlichen Aufführungen um Lust zu machen auf die neuen Inszenierungen – ein bisschen Frustration ist dabei eingeplant.

Die »Koninginnedag«-Kampagne

Neben den Freunden der anspruchsvollen Kultur möchte Enschede auch Gäste zu seinem Volksfest anlässlich des alljährlichen Koninginnetag, dem Niederländischen Nationalfeiertag, einladen. Dieser Feiertag am 30. April ist in Deutschland weitgehend unbekannt obwohl er in Holland in jeder Stadt gefeiert wird. Tatsächlich ist auch unser Wissen über die Aktionen an diesem Tag sehr begrenzt und wir müssen erfahren, dass die Veranstaltungen bestens geeignet sind für Familien und Clubbesucher. Hier scheint es uns am wichtigsten

  1. zu informieren, dass es diesen Feiertag gibt
  2. die Angst zu nehmen, ob man als Deutscher dort deplatziert ist
  3. die Bandbreite von Familie bis Partygänger abzubilden

Die Kernaussage ist diesmal ganz einfach: »Koninginnedag macht Spaß«. Wir entwerfen zwei Kampagnenzweige »Königin für einen Tag« – für die familienfreundlichen Tagesaktionen – und »Königin für eine Nacht« – für die Party vor dem 30. April. Beide zeigen Bilder vom Fest und sollen vor allem informieren und einen Eindruck von der Stimmung hinterlassen.

Und wir wären nicht wir, wenn wir nicht noch ein Schippchen drauf gelegt hätten

Bei den eher informativen Anzeigen vermissten wir dann doch ein bisschen die Reibung, den Wiederstand oder die Idee, wenn man so will. Also haben wir eine Alternative entwickelt, die mit verschlüsselteren Headlines arbeitet. »Königin zu verleihen« oder »Finde die Königin« zielen wieder auf den Reiz des Unbekannten an. Dieses Gefühl etwas verpasst zu haben verpacken wir in den Copytext: »Liebe Deutsche, man hat uns gesagt, Ihr kennt unser größtes Volksfest nicht. Dat kan niet*. Kommt vorbei! Wir laden euch ein zu multikultureller Unterhaltung, Action und Trödelmarkt. *) Das geht nicht« Hier verpacken wir alle Signale, die wir als relevant für die Kampagne eingestuft haben, in den Copytext:

  • Neugier in der Headline und in »Ihr kennt unser größtes Volksfest nicht«
  • Das Gefühl willkommen zu sein in »Liebe Deutsche«, »Kommt vorbei« und »multikulturell« (im Gegensatz zu »national«)
  • Den entspannten, holländischen Stil und die Exotik im Duzen und »Dat kan niet«
  • Eine Vorstellung von dem, was einen dort erwartet mit »Action und Trödelmarkt«. Durchaus familientauglich.

Die Designs dieser Anzeigen kann man sich in der Prezi ansehen.

Below the line

Soviel also zu den Brot-und-Butter-Maßnahmen. Aber was ist mit Keks-und-Kaviar? Um eine breite Streuung zu erreichen, ist es natürlich sinnvoll, eine Kampagne mit allgemein hoher Akzeptanz anzustreben. Hier ist der Kosten-Nutzen-Faktor allerdings sehr berechenbar. Das eingesetzte Budget schlägt sich in der Regel direkt in messbaren Erfolg nieder. Mit einer »erstaunlich erfolgreichen« Resonanz ist hier eher nicht zu rechnen. Daher schlagen wir vor einen Teil des Budgets in risikofreundlichere Below-the-line Kampagnen zu investieren. Hier ist der Erfolg einerseits weniger berechenbar, andererseits potentiell deutlich effektiver.

Wir sind da nicht die ersten

Gerade im Bereich Stadtmarketing sind virale Kampagnen beliebt, um einem begrenzten Budget mehr Impact zu geben. Danzig hat beispielsweise eine sehr effektive YouTube-Kampagne gestartet.

 

Die Jungs von der Straße

Für Enschede würden wir uns eine Kampagne mit einer ordentlichen Portion Selbstironie wünschen, mit dem Potential, die Vorzüge der Stadt zu transportieren ohne nach Marketing-Abteilung auszusehen. Wir suchen Leute von der Straße, die uns am Alltag von Enschede teilhaben lassen, die uns an die interessanten Orte bringen, die kultig sind und die dabei auch noch typische Holländer sein können.

Die Cultuur Politie

Es gibt diesen schwedischen Cop:

Es gibt diesen schwedischen Cop

Und es gibt Toto & Harry. So etwas wollen wir auch. Echte – oder auch nur fast echte – holländische Polizisten, die uns immer dahin bringen wo etwas los ist, die sympathisch sind und sich mit Straßenkünstlern rumärgern dürfen und Touristen und Fußballfans und Opernbesuchern. Vielleicht sind die Jungs von der Cultuur Politie auch die letzte Bastion im Kampf gegen den Übergriff der Kunst.

Vielleicht tauchen die Cops auch auf anderen Kulturveranstaltungen auf und sorgen für Ordnung. Oder man trifft sie in der Fußgängerzone von Enschede. Wir erfinden wiedererkennbare Testimonials für den Enscheder Kulturbetrieb und haben damit alle Freiheiten. Die Dokumentation erfolgt unkompliziert über die social Media.

Viralkampagnen denken wir für Präsentationen selten ganz bis zuende. Aber in den schrägen Cops sehen wir viele Möglichkeiten.

Die Kundenkrake

Abschließend schlagen wir noch vor die Zielgruppe auszuweiten. Laut Briefing war das Münsterland als Einzugsgebiet angepeilt. Tatsächlich sehen wir – eigentlich naheliegend als Essener Agentur – aber das Ruhrgebiet als eine weitere Option, mit geringem Aufwand die Wahrnehmung von Enschede auszuweiten. Enschede ist als Ausflugsziel im Ruhrgebiet weitgehend unbekannt. Andere niederländische Städte in ähnlicher Entfernung sind allerdings sehr beliebt. Arnheim und Venlo sind aus dem Ruhrgebiet die häufigst besuchten Ziele. Hier könnte man mit kleineren Kampagnen, die Enschede bekannt machen, viel bewirken.

Die Prezi

Während der Präsentation benutzen wir diese Prezi: → auf prezi.com ansehen

Und warum ist es nichts geworden?

Um ehrlich zu sein: Wir wissen es nicht genau. Angetreten waren wir ein bisschen als Außenseiter, weil eigentlich Agenturen aus Münster angefragt waren. Tatsächlich ist es dann wohl auch eine münsteraner Agentur geworden. Über den weiteren Fortgang dieser Kampagne sind wir auch nicht informiert. Die Zusammenarbeit mit unserer befreundeten Agentur in Enschede war immer sehr produktiv und spannend. Die Präsentation vor dem Stadtmarketing Enschede durchaus auf Augenhöhe.

Als Agentur pitchen wir gerne (allerdings unter Voraussetzungen, die Fairness, auch gegenüber unseren Bestandskunden garantieren) und verstehen, dass nicht jeder Wettbewerb gewonnen werden kann. Trotzdem sollte die Arbeit nicht in den Schubladen verstauben, und so geben wir lieber die Gelegenheit uns ein bisschen in die Karten gucken zu lassen.

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